Interview mit Catharina Christe, General Managerin bei L’Occitance über Führungsstärke, Pausen und weibliche Intuition.
Du führst eine Marke, die weltweit für Natürlichkeit und Achtsamkeit steht. Wie lebst du diese Werte in deinem Führungsalltag – auch wenn’s mal stressig wird?
L’Occitane steht seit jeher für die Werte Authentizität, Respekt und Großzügigkeit und das sind natürlich auch Werte, die unser tägliches Handeln prägen. Seit der Gründung im Jahr 1976 durch Olivier Baussan, der inspiriert von seiner Heimat in der Provence selbst hergestellte Produkte auf den lokalen Märkten verkauft hat, ist L’Occitane wirklich tief in der Natur verwurzelt. Und genau diese Natürlichkeit ist auch bis heute noch das Herzstück von L’Occitane geblieben. Wir entwickeln, produzieren und vertreiben Schönheits-, Hautpflege- und Wohlfühlprodukte, die auf ätherischen Ölen und natürlichen Inhaltsstoffen basieren und nach unseren Prinzipien der Aromatherapie und Phytotherapie entwickelt werden. Wir arbeiten dabei auch stets nach unserem Grundsatz von People, Planet, Profit, der unser Engagement für soziale und ökologische Verantwortung beschreibt, was dann auch Hand in Hand mit unserem wirtschaftlichen Erfolg geht. Und genau dieser Grundsatz ist auch tief in unserer Unternehmenskultur verankert. Es bestimmt daher natürlich auch, wie wir agieren und zieht sich durch all unsere Prozesse und Bereiche, wie beispielsweise in unserem Retail oder auch hier direkt im Office.
Persönlich lege ich großen Wert auf Authentizität, sowohl nach außen als auch im täglichen Miteinander, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man nur dann echtes Vertrauen zum Team aufbauen kann, wenn auch herausfordernde Themen offen angesprochen werden können. Mir ist es wichtig, die Dinge klar beim Namen zu nennen und ehrlich zu kommunizieren und dies auch direkt in dem Moment zu tun. Denn eine saubere und offene Kommunikation ist wirklich entscheidend. Ich pflege stets zu sagen: „Clear today means kind tomorrow.” Und genau deswegen ist es für mich von großer Bedeutung, Themen direkt auf den Tisch zu bringen, denn nur so können wir auch langfristig die Leistung in unserem Team fördern.
Welche Erfahrungen hast du als Frau in Führungsposition gemacht, die dich heute anders handeln lassen als frühere Vorbilder?
In meiner mehr als zwei Jahrzehnte langen Berufserfahrung war ich ja bereits in verschiedenen leitenden Positionen tätig. Was mich dabei aber in all den Jahren, besonders auch als Frau in einer Führungsposition geprägt hat, ist die Erkenntnis, dass wahre Führung nicht bloß durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen entsteht. Ich habe dabei oft erlebt, dass man sich als Frau in einer solchen Rolle erst einmal beweisen muss und diese Erfahrung hat natürlich auch mein Führungsverständnis stark verändert.
Heute bevorzuge ich ganz bewusst einen Führungsstil, der auf Augenhöhe basiert, aber trotzdem von Klarheit und Ehrlichkeit geprägt ist. Es ist mir besonders wichtig, mein Team zu stärken, es in seiner Entwicklung zu unterstützen und ihm den Raum zu geben, Stärken auch aktiv einbringen zu können.
Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Vielfalt, vor allem in Denkweisen und Perspektiven, der Schlüssel zum Erfolg sein kann. Daher versuche ich gezielt, Strukturen zu schaffen, die unterschiedliche Stimmen sichtbar machen und diese auch tatsächlich wertschätzen.
L’Occitane ist tief mit der Natur verwurzelt – was gibt dir persönlich Halt und Klarheit, wenn es im Business turbulent wird?
Gerade in intensiven Phasen ist es für mich von großer Bedeutung, mir hin und wieder einen Ausgleich zu schaffen. Die Natur spielt dabei für mich eine wichtige Rolle. Sie gibt mir oft dieRuhe, die ich genau in dem Moment brauche. Ein kurzer Spaziergang mit meiner Hündin oder ein paar Minuten Ruhe im Freien reichen mir oft schon aus, damit ich den Kopf freibekomme und neue Energie tanken kann.
Ein wichtiger Ausgleich ist für mich natürlich auch die Zeit mit meinen Pferden. Sie können mich vollständig ins Hier und Jetzt holen. Sie fordern meine volle Aufmerksamkeit, und ich kann mich dabei vollkommen auf sie konzentrieren. Sie ermöglichen es mir, einen wirklich wertvollen Ausgleich zu meinem Alltag zu schaffen. Meiner Meinung nach sind Pferde auch sehr beeindruckende Führungstrainer, da sie ja wirklich absolute Präsenz fordern und ausschließlich auf eine klare und direkte Kommunikation im jeweiligen Moment reagieren.
Ich nehme mir all meine Pausen bewusst, auch wenn mein Terminkalender voll ist, denn diese kleinen Pausen helfen mir, mich regelmäßig selbst zu reflektieren. Dabei verliere ich aber nie den Blick für das große Ganze. Auch wenn das Tagesgeschäft besonders intensiv sein kann, halte ich an langfristigen Zielen fest und berufe mich mit Klarheit und Zuversicht darauf, dass ein stetiger Fortschritt manchmal wichtiger ist als Schnelligkeit. Zudem kann ich mich immer auf mein Team verlassen. Auch wenn es intensive Phasen gibt, weiß ich, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Genau dieses Miteinander und diese Verlässlichkeit gibt mir viel Halt.
Wie sehr vertraust du in deinem Job auf weibliche Intuition – gerade bei wichtigen Entscheidungen oder in unsicheren Zeiten?
Ich vertraue meiner Intuition sehr, vor allem in Situationen, in denen nicht alle Fakten klar auf dem Tisch liegen. Intuition ist für mich dabei eine Art der inneren Klarheit, die auf meiner Erfahrung und meinem Sinn für Zusammenhänge beruht. In solchen Momenten ist es oft genau diese innere Klarheit, die mir helfen kann, gute Entscheidungen zu treffen. Es bedeutet für mich nicht, dass ich Entscheidungen rein aus dem Bauch heraus treffe. Es ist vielmehr dieses Zusammenspiel aus genau diesen Aspekten und dem Mut, Entscheidungen zu treffen.
Meiner Meinung nach erfordert gute Führung eben genau dieses Gleichgewicht. Ob Intuition nun als „weiblich“ bezeichnet wird oder nicht, ist für mich eher zweitrangig. Für mich ist Intuition eine wertvolle Ergänzung und ein unverzichtbares Werkzeug, gerade im Führungsalltag.
Wenn eine junge Frau zu dir käme und sagt: „Ich will auch mal ein Unternehmen führen“ – was würdest du ihr sagen, das in keinem Lehrbuch steht?
Wenn eine junge Frau zu mir käme und sagte: „Ich möchte eines Tages ein Unternehmen leiten“, würde ich ihr als Erstes sagen, dass sie früh anfangen sollte, Verantwortung zu übernehmen. Führung beginnt nicht erst mit einem Titel, sondern zeigt sich in Momenten, in denen man Haltung zeigt, Anweisungen gibt und bereit ist, für seine Überzeugungen auch tatsächlich einzustehen. Selbst dann, wenn es manchmal unbequem sein kann.
Dabei muss man nicht alles wissen, aber man muss den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, zu lernen und sich zu entwickeln. Auch durch Fehler. Und ja, Fehler zu machen, gehört dazu.
Wichtig ist, wie man mit ihnen umgeht, denn wer zu seinen Fehlern steht, kann sich Respekt und Vertrauen aufbauen.
Ich sage gerne, dass Führung für mich wie ein Marathon ist, denn es geht für mich besonders um eine stetige Entwicklung. Dabei ist es meiner Meinung nach wichtig, den Anspruch an sich selbst zu verfolgen, seine Arbeit jeden Tag ein Stückchen besser zu machen, als man es am Vortag getan hat.
Und last but not least: Networking und Mentoring sind wertvolle Wegbegleiter. Denn am Ende können wir alle etwas von anderen Menschen lernen, die uns inspirieren und fördern.
Catharina Christe, General Managerin bei L’Occitane
